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Dem grandiosen Künstler Alexander Lang (1941-2024)

Nachruf von Rudolf Koloc

Ich war Schauspielstudent, ich wollte viel, konnte wenig und suchte. Ich betrat die Kammerspiele des Deutschen Theaters in Berlin. Sie spielten „Kabale und Liebe“. Erster Auftritt Ferdinand. Ferdinand stand und, wie soll ich es beschreiben, es erklang: Du bist blaß, Luise! Wie dieser Schauspieler da vorn auf der Bühne mit vier Worten eine Welt der Liebe erzeugte, hatte ich bis dahin nicht für möglich gehalten. Es erklang: Du bist schön, Luise! Es erklang: Ich liebe dich, Luise! Ich saß im Saal und erlebte, was ein Schauspieler mit einem Satz machen kann, wenn er es kann. Alexander Lang.

Wie er als trommelnder Hilfsarbeiter Paul Bauch die Bühne des DT auf eine Lausitzer Braunkohlenkippe versetzte und das Recht eines jeden auf Glück einforderte. „Die Kipper“ von Volker Braun. Paul Bauch rief: Die Welt ist falsch für uns, muß sie eben umgestürzt werden!

„Philoktet“ von Heiner Müller spielte er mit freiem Oberkörper, ich konnte die Atemtechnik beneiden.

Und dann der Regisseur Lang: „Sommernachtstraum“. Die beiden Liebespaare als ein verschlungener, mit sich ringender Klumpen, ein nicht voneinander lassen könnender Klumpen. Ich hatte begonnen zu inszenieren. Fortan dachte ich bei jedem Arrangement, wäre ein „Lang-Klumpen“ besser?

Später, so viele Jahre später war Alex ein Lieblingsdozent an unserer Hochschule. 

Als Mentor lud ich ihn wieder und wieder ein und Alex kam und lehrte gern. Jedes Szenenstudium war ein Ereignis: Peter Miklusz als Gothland, Caro Hartmann und Marianada Schempp als Elisabeth und Maria und als Fischweiber mit ihrem Partner Sebastian Schneider, Moritz Kienemann als Richard III. und und und… Ich bin mir nicht sicher, ob und wieviel sie alle von der grandiosen Vorgeschichte dieses schlanken, zurückhaltenden Mannes wußten. Alexander Lang in seiner Lang-Art lehrte sie das besondere Auskosten eines jeden Wortes.

Es war mir eine Ehre, Alexander Lang in den letzten Jahren nahe zu sein. Ich bewunderte seinen Humor, den er über endlos quälende Krankenhausaufenthalte bewahrte: Kannst Alexander Kurz zu mir sagen. Alex bekam Prothesen. Wir übten das Straßenbahnfahren, das Einsteigen, das Aussteigen am Rathaus-Center Pankow. Er wollte es allein schaffen. Ich stand als Fänger in der Not hinter ihm, neben ihm. Dann war er an den Rollstuhl gefesselt. Letztes Jahr trollten wir durch das Rathaus-Center, er wollte einkaufen, Alex in seinem Rollstuhl, ich neben ihm, ich durfte ihn nicht schieben. Ich suche leichte Pullover, sagte er, aber zuerst der Zeitungsladen, immer zuerst der Zeitungsladen, weiter, Alex schaute hier schaute da, vor uns ein großer Schuhladen. Alexander Lang sagte: Rudolf, den Schuhladen schenken wir uns!

Mein lieber, verehrter Meister, leb wohl!

Rudolf Koloc 

Von 2005 bis 2015 war Rudolf Koloc Professor für Schauspiel an der HfS Ernst Busch. 

Die Beisetzung von Alexander Lang ist am 12. Juli 2024 um 10 Uhr auf dem Dorotheenstädtischer Friedhof. 

Alexander Lang, Studienjahr 1963-66 (c) Pepita Engel/HfS-Archiv