Prof. Hannah Perner-Wilson übernimmt Studiengangsleitung Spiel und Objekt
Im Interview stellt sich die Professorin für digitale Medien vor
Seit 2020 bist du Hannah Professorin für digitale Medien im Masterstudiengang “Spiel und Objekt”. Anfang 2024 hast du gemeinsam mit Gastprofessor Clemens Winkler die Studiengangsleitung übernommen. Auf welchem Weg bist du an die HfS Ernst Busch gekommen?
Als mich Prof. Friedrich Kirschner 2019 fragte, ob ich eine Gastprofessur bei Spiel und Objekt machen wollte, war ich erst einmal von dem Angebot überrascht. Es brauchte etwas Zeit und Gespräche, bis ich mich, meine Arbeit und Interessen im Theaterkontext ausprobieren wollte. Sobald aber die Arbeit mit den Studierenden und Kolleg*innen losging, sah ich so viele Möglichkeiten, und ich fing an, mich als eine Designerin zu verstehen, die Geschichten erzählt.
Als Designerin bin ich fasziniert von den “Dingen” mit denen wir tagtäglich hantieren und interagieren und die unseren Alltag mitgestalten und mitbestimmen. Was mich an diesen Dingen so fasziniert ist das jedes “Ding” irgendwie hergestellt wurde und somit eine Entstehungsgeschichte besitzt. Gleichzeitig birgt jedes „Ding“ auch das Potential, von uns benutzt zu werden um ganz andere Geschichten zu erzählen.
Diese Faszination für Dinge war es auch die mich dazu brachte, Industriedesign an der Kunstuniversität Linz zu studieren. Mein Alltag im Studium wurde stark von digitalen Computertechnologien beeinflusst - mein erster Laptop-Computer, mein erstes Mobiltelefon, die Möglichkeit, mit 3D-Drucker, Lasercutter, CNC-Fräsen zu arbeiten… Und ich habe begonnen, mich für die Herstellungsgeschichten und erzählerischen Möglichkeiten dieser technologischen Dinge zu interessieren. Mein Interesse an neuartigen Medientechnologien führte mich zu einem Master in Medien- Kunst und Technologie am MIT Media Lab in den USA.
Ich liebe es, Geschichten zu erzählen, weil sie mir selbst sehr nahe gehen.
Sie ermöglichen uns, andere Perspektiven zu erleben, reale wie fiktive Menschen, Orte, Ideen kennenzulernen. Sie haben das Potential, unsere Vorstellungen von der Welt, in der wir leben, auf ganz fantastische und emotionale Weisen zu verändern, und somit verändern sie auch uns.
Die Art von Geschichten, die ich erzähle, lassen sich allerdings nicht einfach so “erzählen”. Vielmehr sind es Welten, Situationen, Spiele, in denen ich das Publikum verwickeln möchte, damit es darin seine eigenen Narrative spinnt. Ich entwickle Formate, die mir erlauben, andere einzuladen diese Geschichten selbst zu erleben. Diese Formate können z.B. die Kombination aus einer spekulativen Erzählungen mit einem Hands-on Workshop sein, das Eröffnen und Führen einer fiktiven Schneiderei für ein ganzes Jahr, die Anleitung zum selbstgemachten Kostüm mit Einladung zur Party.
Als Geschichtenerzählende Designerin fühle ich mich nun in Spiel und Objekt ganz zuhause. Wir entwickeln, gestalten und bauen interaktive Dinge und partizipative Theaterformate, um euch in Welten zu locken, in denen ihr euch ausprobieren und neue Erfahrungen machen könnt.
Du beschäftigst dich mit Wearables und textilen Interfaces. Welche Rolle spielen diese für dich im Kontext von darstellenden Künsten? Mit welchen Themen beschäftigst du dich zurzeit?
Unser Körper ist ein multisensorischer Organismus, wir können uns auf sehr viele verschiedene Arten ausdrücken und kommunizieren. Dennoch fokussieren sich die meisten Technologien, die unseren Alltag ausmachen, auf visuelle Kommunikation (Bildschirme) und manuelle Interaktionen (Hände). Dabei ist technisch so viel anderes möglich, wie z.B. mit tragbaren, weichen, textilen Technologien, die unsere Körper verändern, erweitern und verbinden können. Ich mag es, mit weichen Technologien zu arbeiten, weil diese einen ungewohnten und somit gleich fantastischen Zugang auf die Fantasie ermöglichen.
Themen und Fragestellungen die mich in meinen Schaffensprozessen und der Arbeit mit Studierenden immer wieder beschäftigen, sind:
Was macht unser Zusammenleben aus? Im weitesten Sinn reicht diese Frage vom Umgang miteinander bis zum nachhaltigen Umgang mit alltäglichen Gegenständen und Ressourcen.
Wer macht mit? Wer ist eingeladen? Wie könnte Alles auch anders sein?
Es sind Spekulationen darüber, wie unsere Realität anders wäre, wenn Computer und Kommunikationstechnologien “anders” wären. Damit verbunden ist das Wissen, wie Technologien hergestellt werden und mit welchen menschlichen und materiellen Ressourcen. Daran schließen sich für mich auch Fragen nach Sozialer Teilhabe, Gerechtigkeit und Ökologie an.
Wie wird durch körperliche Auseinandersetzung (“tacit knowledge”), oder im Spiel mit anderen Menschen und Materialien, Wissen und Wertvolles hergestellt? Wir hinterfragen somit bestehende Wertigkeiten und Wichtigkeiten in der Gesellschaft, wie eben unterschiedliche Herangehensweisen an Wissensproduktion.
Ich begreife das Wahrnehmen der Realität als veränderbar. Durch Prozessdokumentation und Reflektion kann man sich der eigenen Verstrickung bewusst werden und damit künstlerisch arbeiten. Und somit erzählen: Vom Einfluss des Materials auf die Macherin. Vom Zuhören und Interessiert sein. Nicht die Frage nach dem “wie”, sondern nach dem “warum”.
Worauf freust du dich besonders in der Zusammenarbeit mit den Studierenden?
Das hört sich jetzt vielleicht etwas trocken an, aber ich freue mich tatsächlich immer wieder auf‘s Neue darauf, meine Grundkurse in Elektronik, Programmierung und Prototyping vorzubereiten. Sich ständig zwischen Code, Material, Spiel und Diskurs/Welt zu bewegen, sehe ich als das Handwerk von Spiel und Objekt. Kreative Arbeit mit Technologie ist für mich immer materiell und hands-on - und somit eine Quelle der Inspiration. Gleichzeitig ist aber auch ein oft sehr frustrierender Prozess, und die Studierende zu begleiten ist oft eine Herausforderung. Der Studiengang Spiel und Objekt hat das zum Glück das große Privileg, mit einer kleinen Gruppe von sechs Studierenden zu arbeiten. So kann ich als Lehrende auf individuelle Lernstile und Interessen eingehen. Das macht die vier Semester Masterstudium immer wieder zu einer unglaublich schönen Reise.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Ich möchte Stereotypen darüber, was Technologie ist, aufbrechen und zeigen, welchen Mehrwert an Ideen, Ästhetik und Formaten die kreative Arbeit mit Technologie dem Theater bringen kann. Ich hoffe, dass ich Studierende und Dozent*innen aus anderen Fachbereichen dazu anregen kann, mit uns zu spielen!