Roscha A. Säidow im Interview
Roscha A. Säidow ist Gastprofessorin für „Zeitgenössische Puppenspielkunst“. Im Interview stellt sie sich vor.
INTERVIEW mit Gastprof. Roscha A. Säidow (Zeitgenössische Puppenspielkunst).
Fragen: Gastprof. Paul Enke (Kulturmanagement)
Was verbindet dich mit der HfS Ernst Busch Berlin?
Ich habe an der HfS Ernst Busch Schauspielregie studiert und ab dem 2. Studienjahr viel mit den Puppenspielstudierenden meines Jahrgangs zusammen gearbeitet und geforscht. Wir haben zum Studienabschluss zu dritt eine Compagnie gegründet, die Retrofuturisten. Durch die Retros blieb der Kontakt zur Puppenspielabteilung auch nach dem Abschluss erhalten, wir haben über die Jahre immer wieder in den Räumen der Hochschule in Lichtenberg geprobt und uns mit den Studierenden und Professor*innen ausgetauscht. Die Abteilung ist wie ein Knotenpunkt, aus dem sich ein großes Netzwerk aufspannt.
Wie hast du die Puppe für dich entdeckt?
Die Puppe kam zu mir. Ich wurde angesprochen von Puppenspielstudierenden meines Jahrgangs. Sie hatten sich verknotet in einer Stückentwicklung und suchten nach einem Blick von außen. Also habe ich sie besucht auf der Probe und zugeschaut. Und dort hat mich etwas tief im Innersten angesprochen und abgeholt in meiner Art zu Denken. Ziemlich schnell habe ich erkannt, welches künstlerische Ausdruckspotential für mich in dieser Kunstform steckt. Von da an haben wir viel gemeinsam experimentiert und ich bin regietechnisch zweigleisig gefahren, habe also inszeniert am Sprechtheater und Figurentheater, am Staatstheater und mit den Retrofuturisten in der Freien Szene. Mit der Zeit wurden die Arbeiten immer inter- und multidisziplinärer, lehnten sich hin zum Musiktheater, zur Performance und zur Bildenden Kunst. Nun lässt es sich nicht mehr recht auseinanderhalten. Das jeweilige Projekt bestimmt die Form. Das ist eine große Freiheit, die ich mir immer wieder nehme.
Was sind die größten beruflichen Herausforderungen, auf die Absolvierende der Zeitgenössischen Puppenspielkunst in der Zeit ihres Studiums vorbereitet werden müssen? Welche wichtigen Unterschiede gibt es beispielsweise zu den Herausforderungen für junge Schauspieler*innen?
Die größte Herausforderungen sehe ich darin, die eigene künstlerische Position zu entdecken und zu stärken und dabei offen zu bleiben für neue Entwicklungen. Die Welt braucht wache Künstler*innen, die Fragen stellen, einen Diskurs angehen, die Bühne als Ort des Denkens, Fühlens und Forschens begreifen. Daher sehe ich es als große Stärke an, dass die Abteilung für Zeitgenössische Puppenspielkunst die Studierenden auch als Konzeptentwickelnde und Kreierende herausfordert. Der Schaffens- und Spielprozess wird gleichermaßen angeregt und erprobt, so können neue Positionen entstehen.
Und manchmal muss man sich seine Betätigungsfelder selbst schaffen. Daher empfinde ich es als wichtig, einen Weitblick zu entwickeln und spüren zu lernen, was es braucht und was geht. Denn nicht überall, wo Puppe drinsteckt, stand vorher Puppe drauf. Die Betätigungsfelder sind breit, es kommen stets neue hinzu. Das im Hinterkopf zu haben, ist hilfreich.
Eine weitere, eher praktische Aufgabe wird sein, die eigenen Bedürfnisse als Spielende/r benennen zu können. Das Interesse des Theaters an der Puppe wächst. Da kann es eben passieren, dass man schnell mal in interdisziplinären Projekten landet, wo Teammitglieder möglicherweise noch wenig bis keine Erfahrung an der Puppe haben und diese auf der Probe daher erstmal wie eine*n Schauspieler*in behandeln. Hier möchte ich die Puppenspielenden darin bestärken, zu Advokat*innen für sich und die Puppe zu werden. Einem Regieteam zu vermitteln, was sie brauchen, um gut arbeiten zu können, ist Teil der Aufgabe.
Gibt es ein Paradies für Puppenspieler*innen auf dieser Welt?
Paradies ist ein ziemlich großes Wort, ein richtiger Heißluftballon von Wort. Ich stapel mal tiefer. Besondere Momente waren für mich bisher oft internationale Festivals. Über mehrere Tage hinweg bewegt man sich in einem Zustand von Austausch, Inspiration, pendelt von Show zu Show, spielt irgendwann selbst, sitzt zwischendrin an Tischen und spinnt neue Verbindungen mit Leuten aus aller Welt.
Welche Schwerpunkte möchtest du in der Zeit deiner Gastprofessur an der HfS setzen und was wünschst du dir für diese Zeit?
Ich möchte kreative Möglichkeiten und Begegnungen schaffen für die Studierenden und die Abteilung mit neuen Kooperationspartnern vernetzen. Mir ist ein Austausch wichtig, mit anderen Kunsthochschulen wie auch mit unseren Abteilungen. An der Hochschule selbst entstehen viele spannende Projekte, auf die ich mich freue. Auf der einen Seite werde ich interdisziplinäre Arbeiten anregen und abteilungsferne Teamleiter*innen darin begleiten, ihre ersten Erfahrungen mit Puppe zu machen. Auf der anderen Seite unterstütze ich die Studierenden in ihrem Weg und schaue, wo sich etwas inspirieren kann, wo Interessenschwerpunkte liegen, und wo sich etwas ergänzt und vernetzt.
Ich wünsche mir Offenheit und ein Interesse an der Welt sowie an den Künsten, und freue mich sehr auf die gemeinsame Forschungsarbeit und das Entwickeln mit den Studierenden.
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