Susanne Foidl stellt sich vor
Susanne Foidl ist seit Oktober 2024 die neue Frauen- und Gleichstellungsbeauftrage an der HfS Ernst Busch.
Sie sind schon viele Jahre als Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte an der Filmuniversität Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg tätig gewesen. Was hat Sie zur Arbeit als FGB motiviert?
Neben meiner Lehre im Studiengang Montage war ich zehn Jahre die Gleichstellungsbeauftragte der Filmuniversität. Ich versuche zu beschreiben, was mich dazu motiviert hat: Ich bin in einer großen Familie aufgewachsen. Das Ganze spielt in den frühen 70er Jahren in einem katholisch geprägten Dorf. Auf den vielen Feiern war häufig Alkohol im Spiel. Tagsüber wurden Moral und christliche Werte gepredigt, des Nachts wurde die Sau rausgelassen. Am nächsten Morgen geht es in die Kirche und die Welt ist wieder in Ordnung. Die Verantwortung für das eigene Handeln wird in die Hände des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes gelegt. Ich, bereits verliebt in meine Kindergärtnerin, fand`s richtig schlimm. Frauen durften bis 1977 nur arbeiten, solange sie die Familie nicht vernachlässigten. Wenn sie etwas aus dem Otto-Katalog bestellen wollten, mussten sie ihren Mann fragen. Vergewaltigung in der Ehe – kein Thema. Wenn sie einer bezahlten Arbeit nachging, dann schmiss sie immer noch den ganzen Haushalt. Ich fand das wahnsinnig ungerecht. Dieses Gefühl hat sich tief in mir eingeprägt. Ich konnte damals nichts dagegen tun. Als Teenager bin ich von dort ins queere, weltoffene Berlin abgehauen. Als ich viele Jahre später an der Filmuniversität gearbeitet habe, begegnete mir das Thema auf institutioneller Ebene wieder. Aber jetzt war ich groß, konnte bleiben und bekam die Möglichkeit, mich zu engagieren und Transformationsprozesse anzustoßen.
Wesentlich für Ihre Gleichstellungsarbeit ist Ihre Montagearbeit. Wie hängen die Filmmontage und die Gleichstellungsarbeit für Sie zusammen?
Mein Studium an der Hochschule für Film- und Fernsehen in Babelsberg – ich bin Diplom Schnittmeisterin – hat mich dazu befähigt „Welt-Anschauungen“ zu konstruieren, aber auch zu dekonstruieren. Später als Lehrende habe ich ein Montagelabor mit dem Titel „Editing Gender“ konzipiert, in dem wir mit Studierenden mittels des Schnittcomputers fertige „Meisterwerke“ [sic!] der Filmkunst erforschen. Wir halten den Film an, wir spulen zurück, schauen wieder und wieder und wir bauen um. Jedes filmische Gewerk trägt zur Vergeschlechterung bei, aber was ist der Anteil der Montage? Wie funktioniert die Vergeschlechterung der Subjekte vor der Kamera durch unsere Arbeit in der Montage? Die Ergebnisse waren aufschlussreich. Es funktioniert immer gleich: Welcher Figur verleihe ich Macht z. B. durch die Kadrage? Mächtige (männliche) Figuren sind meist allein im Bild zu sehen, abhängige (weibliche) Figuren sehr häufig mit der Schulter der mächtigen Figur im Anschnitt im Bild. Was zeige ich, was lasse ich weg? Male Gaze, Colonial Gaze - Gaze überhaupt wird in der Montage gebaut. Durch die Montage setze ich die Figur in einen Kontext, lege Deutung nahe. In der Montage stellen wir dramaturgische Fragen z. B. nach dem inneren Konflikt der Figur. Wie stellen wir (sexualisierte) Gewalt dar und zu welchem erzählerischen Zweck? Welche Werte werden dabei verhandelt? Gender ist ein soziales Konstrukt und lässt sich am Schneidetisch entlarven, aber auch perpetuieren. Inzwischen habe ich das Seminar „Editing Gender“ erweitert auf andere Dimensionen der Diskriminierung wie z. B. Rassismus. Der Schneidetisch ist ein mächtiges Tool! Es gab einen schönen Artikel über Schnittleute, der sie als „Diener der Differenz – Apostel des Zusammenhalts“ [sic!] huldigt. Ein differenzierter, nicht binärer Ansatz ist auch für meine Arbeit als Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte essentiell.
Warum hatten Sie Lust, sich an der HfS Ernst Busch zu bewerben? Quasi vom Film zum Theater zu kommen?
Seit 30 Jahren bin ich – erst als Studentin, dann als Lehrende - mit der Filmuniversität verbunden. Ich wollte aus meiner Comfort Zone raus. In der Montage und mit Filmemachen kenne ich mich aus. In meiner Doppelfunktion als Gleichstellungsbeauftragte und als Lehrende in der Montage war ich sehr nah dran an den Teams und ihren Projekten und ihren Diskursen. Im Schnittraum gibt es die Möglichkeit das „Spiel“ anzuhalten, die eigenen Reaktionen und Urteile können bis zum Schluss überprüft, diskutiert und revidiert werden. Theater proben und spielen findet im Hier und Jetzt statt. Der Akt kann nicht einfach angehalten und zurückgespult werden, ist weniger kontrollierbar. Was kommt hoch an Klischees und Stereotypen, die ich nicht unter den (Schneide-)Tisch fallen lassen kann? Spontanen emotionalen Phänomenen muss sich unmittelbar gestellt werden. So ist jedenfalls meine Vorstellung. Das beeindruckt und interessiert mich. Kommt hinzu: Als ich die Stellenausschreibung zufällig in meiner Mailbox las, fühlte ich mich total angesprochen. Das scheint gestimmt zu haben, sonst wäre ich nicht hier.
Was ist Ihnen besonders wichtig bei Ihrer Arbeit als Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte an einer Kunsthochschule?
Neben meinen in den Gesetzen beschriebenen Aufgaben finde ich besonders wichtig, unsere Narrative und damit verbundene Vorurteile kritisch zu hinterfragen – nicht nur auf struktureller Ebene, sondern auch im Kunststudium. Welche Zugänge gibt es z. B. an der HfS und wie sind sie gestaltet? Wessen Freiheit ist gemeint, wenn wir von Kunstfreiheit sprechen? Inwiefern spielen Identität und politische Themen eine Rolle im jeweiligen Handwerk? Können und wollen wir uns lösen von unseren Vorstellungen von Männlichkeit, Weiblichkeit und Allem dazwischen? Am wichtigsten dabei ist mir, die Studierenden kennenzulernen. Was wollen sie, was brauchen sie, was kritisieren sie, wie wollen sie lernen, wo wollen sie hin?
Was wünschen Sie sich von der Zusammenarbeit mit den Studierenden, Lehrenden und Kolleg*innen an der HfS Ernst Busch?
Gegenseitigen Respekt und Empathie, Transparenz, Begeisterung, Neugierde für das jeweilige Tun des Gegenübers. Offenheit für Veränderung, für Weiterentwicklung – auch wenn das bedeutet, Gewohntes abzulegen oder bequeme Rollen abzugeben. In Bewegung bleiben, Miteinander auf Augenhöhe reden, mit Lust fluide Veränderung leben.
Wie war der Einstieg an der HfS Ernst Busch?
Der war sehr einfach mit großer Unterstützung aller Kolleg*innen. Eingestiegen – losgefahren. Klar, muss ich noch gucken, wo ist hier eigentlich der zweite Gang, wo die Nebelleuchte, der Scheibenwischer - wie funktioniert was – aber langsam komme ich ins Rollen. Ich find`s ganz toll.
Welche Projekte gehen Sie als erstes an?
Es sind im Gleichstellungskonzept der HfS bereits einige Vorhaben skizziert: Die Berufungsordnung zu überarbeiten, und sowieso gehört es zu meinem Job, die kommenden Berufungsverfahren zu begleiten. Im März findet die Frauenvollversammlung statt, ein wichtiger Termin. Auch mit der Ensemblezeit und den Buddies würde ich gern gemeinsame Events planen. Mich mit dem Frauenbeirat über Themen austauschen, die Kolleginnen und die Studentin im Beirat kennen die HfS ja viel besser als ich. Das jetzt direkt nächste Projekt für mich ist, die Website der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten zu überarbeiten, das finde ich schwieriger als gedacht – aber zum Glück sind ja die Kolleginnen der Hochschulkommunikation zur Unterstützung mit Ideen da. Ich brauche noch gute Fotos. Ich bin eine visuell inspirierte Person, aber keine Fotografin. Mal schauen wie ich das löse.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen und Chancen im Bereich Gleichstellung und Diversität an unserer Hochschule?
Um das zu beantworten muss ich die Organisation erst intensiver kennenlernen. Herausfordernd für eine gender- und diversitätssensible Weiterentwicklung sind sicherlich wie immer und überall die beharrenden Kräfte. Dabei könnten Curriculum, Lernziele und Methoden laufend hinterfragt werden. Nur so kann die Gemeinschaft sich progressiv bewegen. Was mich total gereizt hat, ist die unmittelbare Lebendigkeit, die Unbedingtheit, die ich bei Studierenden und Lehrenden spüre. Auch das Personal in der Verwaltung wirkt auf mich extrem aufgeschlossen. Ich denke, dass diese Hochschule gerade hinsichtlich Diversität und Inklusion ein echtes „Role Model“ für eine avancierte Ausbildung werden kann.