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Clemens Rynkowski stellt sich vor

Clemens Rynkowski wurde zum Gastprofessor für Musik in der Abteilung Schauspiel berufen

Was begeistert Sie an Musik im theatralen Kontext? Was ist hier die Besonderheit? 

Es gibt ja Theater-Musik, die Bühnengeschehen kommentiert, zuspitzt, untermalt, konterkariert, umrahmt, anhält usw. Mit dieser Interaktion bin ich als Komponist und Theatermusiker sehr vertraut. Darüber hinaus interessiert mich vor allem die Arbeit mit der menschlichen Stimme, die vielleicht das ausdrucksstärkste, sicher das persönlichste Musikinstrument überhaupt ist, in besonderem Maße auf der Bühne. Und gerade die Schnittstelle zwischen Text und Musik, dem Sprechen und Singen, dem Bündnis von Bühnenhandlung und sängerisch-musikalischem Agieren eröffnet einen fantastischen Raum über das Gesagte hinaus. Diese musikalische Deutungsebene mithilfe der gestalterischen Mittel von Stimme und Musik fasziniert mich. Und da findet sich auch gleich eine Besonderheit: Musik verhält sich zu einem Text oder einer Bühnenhandlung und umgekehrt, ist somit eine neue Dimension. Eine weitere Besonderheit liegt gerade in dem Unterschied zwischen Sprechen und Singen. Obwohl beide Disziplinen vom selbem Organ ausgeführt werden, herrschen hier völlig andere Spannungsverhältnisse, agieren andere Hirnregionen und verläuft Zeit anders.

Wie sind Sie zur Musik gekommen? Was war Ihr Werdegang? 

Ich bin in einem musikalischen Haushalt in Weimar aufgewachsen, meine Eltern und meine Brüder sind Musiker*innen, ich habe früh Klavier spielen gelernt und wurde sängerisch geprägt. Disziplinär und stilistisch gab es sehr unterschiedliche Einflüsse, auch durch die strukturellen, historischen und sozialen Bedingungen auf musikkultureller Ebene vor 1989 und danach: zwischen klassischer Musik, Jazz, Pop und Unterhaltungsmusik. Als Teenager bin ich nahezu jeden Tag ins Theater gegangen, sowohl ins Schauspiel, als auch in Opern und Sinfoniekonzerte. Ich habe seit der Schulzeit viele Jahre in einem Salonorchester gespielt, gesungen, komponiert und arrangiert. Meinen Zivildienst absolvierte ich in einem Altersheim für Bühnenkünstler. An der UDK und der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ studierte ich unterschiedliche musikalische Studiengänge, beeinflusst hat mich mein Kompositionsstudium mit der Spezialisierung „Medienmusik“. In dieser Zeit lernte ich Lydia Kavina kennen, die Großnichte des Erfinders des Theremins, die noch bei ihrem Onkel Unterricht erhielt und bei der ich Unterricht nahm. Das erste elektronische Musikinstrument ist über 100 Jahre alt, wird berührungslos über 2 Antennen in der Luft gespielt und ähnelt mitunter der menschlichen Singstimme. Als Thereminist bin ich in unterschiedlichsten Kontexten unterwegs: im Theater, in Performances und Konzerten und schrieb mehrere Stücke für Theremin und Sinfonieorchester. 
Vor allem aber hatte ich das Glück, nach meinem Studium Theaterproduktionen als musikalischer Leiter leiten, begleiten, entwickeln, komponieren, arrangieren und einstudieren zu dürfen. Hierbei handelte es sich immer um Live-Musik mit einem musikalischen Ensemble zwischen 3 und 25 Musiker*innen. Ich lernte viele Regisseur*innen, Theaterstoffe, Theaterhäuser und Ensembles kennen und bin mit einem Kollektiv von Musiker*innen, dem auch meine Brüder angehören, regelmäßig Gast in sehr unterschiedlichen Musiktheater-Produktionen. Wir bearbeiten nicht nur musikalische Stoffe auf eigene Art und Weise, sondern suchen auch nach Herausforderungen wie dem Konstruieren und Erlernen eigener Musikinstrumente. Was ich in Theaterproduktionen besonders schätze, ist die spezifische musikalisch-interpretatorische und sängerische Arbeit mit Schauspieler*innen, der ich mich nun hauptberuflich widme.
In den letzten Jahren durfte ich das Resident Music Collective am Humboldt Forum Berlin mitbegründen. Dieses transtraditionelle Ensemble vereint verschiedenste kulturelle Musiktraditionen.

Warum wollen Sie an die Hochschule, um Musik zu unterrichten? 

Ich habe 14 Jahre an verschiedenen Musikhochschulen unterrichtet: Musiktheorie, Gehörbildung, Improvisation, Bewegungsimprovisation, sich selbst am Klavier begleitendes Singen. Diese Arbeit fand ich großartig, aber meine Leidenschaft zog mich in der übrigen Zeit ins Theater. Seit ich an der Ernst Busch unterrichte (zunächst im Lehrauftrag, nun als Leiter der Fachgruppe Musik), schließt sich für mich ein Kreis, in dem ich meine Lust am Vermitteln und meine pädagogische Fantasie mit meinem langjährigen Erfahrungshorizont vom Theater in besonderem Maße kombinieren kann. Ich erlebe Schauspielstudierende, auch und besonders an der Schauspielschule Ernst Busch, als sehr offen und zugewandt, mit Drang zum Ausprobieren und zum akribischen Arbeiten. Es bereitet mir unglaubliche Freude, mit angehenden Schauspielenden am sängerischen, technischen und interpretatorischen Vortrag zu feilen und nach deren künstlerischer Persönlichkeit und individueller Ausdruckskraft auf die Suche zu gehen. Als Lehrender ist man weiterhin ein ständig Lernender, so bin ich auch offen für Impulse meinen Studierenden.

Welche Ziele haben Sie? Was wollen Sie den Studierenden vor allem mitgeben? 

Ich glaube, ich kenne den Theaterbetrieb ziemlich gut und weiß somit einerseits um die sängerisch-musikalischen Notwendigkeiten, aber auch um viele Herausforderungen im schauspielerischen Berufsalltag. Dabei nimmt der Stellenwert musikalischer Produktionen am Theater seit vielen Jahren zu. Den Studierenden möchte ich ein Grundhandwerk vermitteln, welches Stimmhygiene, Technik, Musiktheorie, Übung in Improvisation und gemeinsames musikalisches Agieren umfasst. Aber das oberste und wichtigste Ziel ist, dass Schauspiel-Studierende am Ende ihrer Ausbildung mit ihren stimmlichen Voraussetzungen umfassend, vielseitig, offen, methodisch geschickt und spielerisch umgehen, dass sie ihre szenisch-gestalterischen Mittel auch musikalisch zielführend einsetzen können, dass sie grundsätzlich in der Lage sind, sich mit Text und Musik auseinanderzusetzen und hier eine interpretatorische Fantasie entwickeln. Ich möchte außerdem interessante Persönlichkeiten aus der Theaterszene gewinnen, um mit unseren Studierenden Workshops zu gestalten und mit ihnen musikalisch, szenisch und interpretatorisch zu arbeiten.

Die Vielfalt der Lehrangebote und die Umsetzung aller Ideen ist natürlich nur mit einem gut harmonierenden und engagierten Kollegium zu bewältigen. Somit freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Studierenden UND den Kolleg*innen!

© Christian Andrés Parra Sánchez